Peter Bierl
Zu viel sind immer die anderen. Der Einfluss des Malthusianismus auf die Öko-Debatte
Deutschland soll die Grenzen schließen, um die Afrikaner zu einer „ökologisch nachhaltigen Bevölkerungspolitik“ zu bewegen, erklärte Björn Höcke (AfD). Dort gebe es zu viele Menschen. In der Schweiz sammelte die Gruppe Ecopop über hunderttausend Unterschriften gegen Einwanderung und Bevölkerungszuwachs. Ecopop ist Teil einer internationalen Bewegung, die eine Überbevölkerung des Planeten beschwört und bekämpfen will. Dazu gehören Strömungen und Gruppen aus der Umweltbewegung, wie Tiefenökologie, Bioregionalismus oder die Initiative Ökosozialismus. Dabei weisen alle Daten darauf hin, dass sich die Menschheit im demographischen Übergang befindet, der zu einer stabilen und anschließend sinkenden Bevölkerungszahl führen wird.
Das Horrorszenario von der Überbevölkerung geht auf den britischen Ökonomen Thomas Malthus zurück. Scharfe Kritik kam von Marx, der Malthus bezichtigte, die Armen zum Hungertod zu verdammen. Marx analysierte stattdessen eine relative Überbevölkerung, die historische und soziale Ursachen hat, abhängig vom Verwertungsbedarf des Kapitals.
Seit den 1960er-Jahren stigmatisierten Umweltschützer*innen Menschen im globalen Süden mit Schlagworten wie Bevölkerungsexplosion oder Bevölkerungsbombe. Biozentristen, Tierrechtler und manche Postwachstums-Fans halten auch den Norden für überbevölkert. Der Journalist Peter Bierl analysiert in dem Vortrag die Aktualität des Überbevölkerungsdiskurses und seine historische Entwicklung und zeigt, dass solche Vorstellungen im linken, liberalen und rechten politischen Spektrum zu finden sind.
Peter Bierl
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Peter Bierl
Natascha Strobl
Anmerkungen zum Ökofaschismus. Umweltschutz von rechts
Umwelt und Umweltschutz haben eine lange Tradition in der politischen Rechten, die bis zu den Anfängen des Umweltschutzes in Deutschland im 19. Jahrhundert zurückreicht. In der völkischen Bewegung wurde bereits eine Verbindung konstruiert zwischen einer ‚gesunden‘ Natur und einer ‚gesunden‘ (sprich homogenen) ‚Rasse‘ und fand sich in der „Blut und Boden“-Ideologie wieder. Dieses Denken wurde zudem mit den zur selben Zeit populären sozialdarwinistischen Ideen vermischt. Daraus entwickelte sich die Vorstellung vom Recht der stärkeren ‚Rasse‘ und von einem Auftrag, dem Gesetz der Natur entsprechend, diese ‚rein‘ zu halten, indem unerwünschte, den ‚Volkskörper‘ vermeintlich schwächende, Elemente ausgesondert werden. Die Vorstellung, mit Hilfe von Gesetzen nicht nur den Arterhalt im Tierreich zu unterstützen, sondern auch in der Gesellschaft mit Eugenik Biopolitik zu betreiben, wurde im 20. Jahrhundert noch populärer und fand im gesamten politischen Spektrum Widerhall, wenngleich aus sehr verschiedenen Überlegungen heraus.
Im Nationalsozialismus kamen insbesondere in der SS u.a. mit Heinrich Himmer und Walther Darré Menschen an die Macht, die ihre menschenfeindlichen ‚Zuchtgedanken‘ in die Tat umsetzten und dabei wesentlicher Teil der NS-Vernichtungsmaschinerie waren. Doch mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Niederlage Deutschlands waren die Ideen nicht aus der Welt. Das Phänomen, menscheinfeindliche, antidemokratische Vorstellungen mit Umweltschutz zu kombinieren, fand weltweit Anhänger:innen. Eines der prominentesten Gesichter dieser Bewegung war der Finne Pentti Linkola, der als Lösung der drohenden ökologischen Katastrophe einerseits eine Abkehr von westlichen Konsumgeselllschaft und andererseits eine drastische Reduzierung der Weltbevölkerung forderte. Von der Corona-Pandemie erhoffte er sich folgerichtig eine Verlangsamung der Zerstörung der Erde.